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Die jüdische Gemeinde Laupheim und ihre Zerstörung

Gedenkbuch Seiten 552 - 554 

WALLERSTEINER, Rosa,

Musiklehrerin, Ulmer Straße 2

 

KARL NEIDLINGER

Rosa Wallersteiner, geb. 11.3.1873 in Ravensburg, ledig, seit November 1925 in Laupheim, 1938/39 in die USA emigriert.




Die gewaltigste Steigerung des Genusses bot sich zum Schluss in der c- Moll-Phantasie. Fräulein R. Wallersteiners Klavierspiel perlte entzücken fein.

So beschrieb der Laupheimer Verkündiger“ am 9.11.1927 den Höhepunkt der Beethoven-Feier des Gesangvereins Concordia im Rabensaal. „Eine Spitzenleistung Laupheims sei die Beethoven-Feier zum hundertsten Todestag des Komponisten gewesen, schwärmte die Zeitung weiter, mit über 150 Mitwirkenden: Ein Männerchor und ein Frauenchor, das „Liebhaberorchester“ und besagtes Fräulein Wallersteiner. Zudem war das musikalische Ereignis die erste Veranstaltung im vergrößerten neuen Saal des Gasthofs „Raben“, welcher nach Meinung der Zeitung „nun jede Festfeier würdig fassen kann“.

 Rosa Wallersteiner um 1925.

(Foto: StA Sigmaringen, 65/18, T5)

Rosa Wallersteiner kam im November 1925 nach Laupheim und lebte hier bis 1930, dann wieder ab 1933. Sie scheint sehr viel unterwegs gewesen zu sein: Im August 1930 verzog sie in die Schweiz, und ihren alten Reisepass, aus dem das Foto stammt, schickte sie im September 1931 aus Wien nach Laupheim zurück, da sie einen neuen benötigte. Vermutlich war ihre hohe Mobilität beruflich bedingt: Sie verdiente ihren Lebensunterhalt mit Musik, als Lehrerin und als Pianistin. Ihre Adresse Ulmer Straße 2 zeigt, dass sie in Laupheim gar keine eigene Wohnung hatte, sondern im Gasthof Post logierte, zumindest anfänglich. Das „Liebhaberorchester“, das bei der Beethoven-Feier die Symphonie Nr. 1 gespielt hatte, konstituierte sich kurz danach, beflügelt durch den Erfolg, als eingetragener Verein und nannte sich fortan Orchester-Vereinigung“. Die treibende Kraft dieser Vereinigung war Fabrikant Marco Bergmann, der bei der Vereinsgründung am 30. Januar 1928 den Posten des 2. Vorstands und des Kassierers übernahm. Erster Vorstand war Stadtschultheiß Franz Konrad und als eines von vier aktiven Mitgliedern wurde Rosa Wallersteiner in den Ausschuss gewählt. Die musikbegeisterten Laien, aus denen das Orchester überwiegend bestand, nahmen sich dann vor, in Zukunft jährlich drei bis vier Konzerte zu veranstalten, unter der Leitung des Dirigenten Otto Lex aus Ulm. Allwöchentlich traf man sich donnerstags zum Übungsabend.

 

Hochzeit von Leopold Wallersteiner mit Elsa Bergmann am 19. November 1905 im Gasthof Kronprinz
Oppenheim (Frankfurt/M.), das Brautpaar Elsa und Leopold Wallersteiner, ??, Henny Stern, Max Bergmann.
Hinter Eugenie, ganz links, steht Dr. Hugo Wallersteiner. Die Namen der anderen Personen sind nicht bekannt.
R
osa Wallersteiner dürfte die Dame am linken Türpfosten sein.
(Foto: Archiv Ernst Schäll) 

Die kulturelle Blüte der Goldenen 20er Jahre“ der Weimarer Republik hatte nun also auch in Laupheim einen kleinen Ableger: Ein Laienorchester mit hohen Zielen ein mutiger Schritt für ein Städtchen dieser Größe. Über die weitere Vereinsentwicklung ist jedoch wenig bekannt und ganz sicher hat das zarte Pflänzchen das Jahr 1933, den Beginn der Barbarei in Deutschland, nicht überlebt. Wie erwähnt war Rosa Wallersteiner einige Jahre im Ausland und kehrte am 30. März 1933 wieder nach Laupheim zurück. Drei Tage später, am 2. April, wurde sie verhaftet, ohne dass etwas über Gründe oder die Dauer der Haft bekannt wäre. Und da die Zeitungen über Juden nichts mehr zumindest nichts Positives berichteten, fehlen weitere Nachrichten über sie. 1938/39 konnte Rosa Wallersteiner in die USA emigrieren.

Orchester-Gründer Marco Bergmann und die Pianistin Rosa Wallersteiner müssen sich schon früher, spätestens seit dem Jahr 1905, gekannt haben: In diesem Jahr heiratete der aus Biberach stammende Kaufmann Leopold Wallersteiner die Laupheimerin Elsa Bergmann, Marcos Kusine. Später hatte die Familie ein Bekleidungsgeschäft in Ulm. Rosa war vermutlich nicht die Schwester, sondern die Kusine des Bräutigams. Bei der Hochzeit, die im Gasthof „Kronprinz“ stattfand, war sie höchstwahrscheinlich als Gast zugegen: Die Dame, die auf dem Gruppenbild am linken Türpfosten des Kronprinz steht, dürfte Rosa sein, ihre Schwester Dr. Eugenie Wallersteiner, vorne ganz links, war Trauzeugin. So kann vermutet werden, dass sie schon von dieser Hochzeit her als vorzügliche Pianistin bekannt war und die verwandtschaftliche Verbindung zur Familie Bergmann Rosa Wallersteiner später nach Laupheim führte.

 

Quellen:

 

1. Staatsarchiv Sigmaringen, 65/18, T5.

2. Stadtarchiv Laupheim F 9811 - Ia: Verzeichnis über Bevölkerungsbewegung in der jüdischen Gemeinde Laupheim ab 16. 6. 1933.

3. Laupheimer Verkündiger.

 

 

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