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Die jüdische Gemeinde Laupheim und ihre Zerstörung

Gedenkbuch Seiten 204 - 206 

HEILBRONNER, Bertha und Eva

Judenberg 2, Radstraße 36

 

DR . ANTJE H LE RSCH MI DT

Bertha Heilbronner, geb. 19.1.1877 in Laupheim, Deportation am 19.8.1942 nach Theresienstadt, Deportation am 26.9.1942 ins KZ Treblinka und Ermordung,
[Simon Heilbronner, geb. 29.2.1868 in Laupheim, gest. 15.6.1926 in Laupheim], Eva Heilbronner, geb. Stern, geb. 16.10.1875 in Laupheim, gest. 28.2.1937 in Laupheim,
[– Selmar Heilbronner, geb. 26.9.1897 in Laupheim,
Willy Heilbronner, geb. 28.8.1898 in Laupheim,OO Minna Goldsmith, geb. 16.4.1901 in Hersfeld,
Kurt Jakob Heilbronner, geb. 2.4.1926] 

 

Die beiden Vertreterinnen der Familie Heilbronner stehen in enger verwandtschaftlicher Beziehung zu den Geschwistern Alfred Erlebacher und Bella Levy. Bei Bertha Heilbronner handelt es sich um die Tante der beiden, denn sie war die jüngere Schwester ihrer Mutter Pauline Erlebacher, geborene Heilbronner. Eva Heilbronner, geborene Stern, war die Witwe des Cousins von Bertha Heilbronner.

 

Bertha Heilbronner

Sie kam als zehntes von elf Kindern von Emanuel und Louise Heilbronner, geborene Rosengart, am 19. Januar 1877 zur Welt und wuchs in Laupheim auf. Wie ihre Geschwister und Altersgenossen besuchte sie die israelitische Volksschule in Laupheim, deren Lehrer Ascher war. Auf einem Schulfoto aus dem Jahre 1884 mit 46 jüdischen Kindern ist Bertha Heilbronner in der vierten Reihe zwischen Flora und Emma Bergmann fotografisch abgelichtet. Es ist das einzige Dokument ihres Lebens, über das sonst kaum etwas bekannt ist.

So war sie unverheiratet geblieben und wohnte bis zu ihrer Zwangsumsiedlung und Deportation in ihrem Elternhaus, wo später auch ihr Neffe Alfred Erlebacher mit seiner Familie bis zur Emigration im Oktober 1937 in die USA lebte. Dieser hatte im selben Jahr das Haus am Judenberg 26 an den Fuhrmann Theobald Lemmermeyer verkauft. Da Bertha Heilbronner dort wohnhaft blieb, ist anzunehmen, dass ihr im Kaufvertrag ein gesondertes Wohnrecht eingeräumt wurde. Mit ihrem Neffen stand sie nach dessen Auswanderung in postalischem Kontakt. Eine ihrer letzten Postkarten an ihn stammt vom 9. Juli 1941. Kurz danach, im Oktober 1941, veranlasste die Stadt Laupheim die Räumung der Wohnungen jüdischer Einwohner und die 74jährige Bertha Heilbronner wurde in eine Baracke mit äußerst miserablen Wohnverhältnissen in der Wendelinsgrube zwangsumgesiedelt. In einem Brief von Lina Wertheimer aus dem jüdischen Altersheim Laupheim an Emma und Gretel Gideon in Winterthur vom 15. Juni 1942 hieß es: „Es ist nur gut, dass die Liesel (gemeint ist Elise Friedberger, geb. Löwenthal) mit Bertha Heilbronner so befreundet ist, auch mit den wenigen anderen Nachbarn u. sie halten sehr zusammen.“ In der Not und Verfolgung war ihnen nur dieser Trost geblieben. Am 19. August 1942 wurden mit der vierten und letzten Deportation die verbliebenen 43 jüdischen Frauen und Männer aus dem jüdischen Altersheim am Judenberg 2 und den Baracken in der Wendelinsgrube aus Laupheim abtransportiert. Unter ihnen war Bertha Heilbronner. Über das Sammellager auf dem Stuttgarter Killesberg deportierten sie die Nationalsozialisten nach Theresienstadt, wo sie am 23. August 1942 eintrafen. Die von Adolf Hitler scheinbar gnädig den Juden gewidmete Stadt war ein überfülltes Ghetto, wo zunächst Juden aus Böhmen und Mähren konzentriert wurden und das später vor allem betagte Juden aus deutschen und österreichischen Städten aufnahm. Für die bereits 75jährige Bertha Heilbronner und 20 andere aus Laupheim Deportierte wurde Theresienstadt zu einem Durchgangslager auf dem Weg in die Vernichtungslager im Osten. Am 26. September 1942 wurde Bertha Heilbronner ins Konzentrationslager Treblinka deportiert, wo sie direkt vom Bahnhof ins Bad zur „Desinfektion“ geführt wurde, das eine Gaskammer war, und ermordet.

 

Eva Heilbronner

Eva, von allen Emma genannt, war die Tochter von David und Rosalie Stern, geborene Stern, am 16. Oktober 1875 in Laupheim geboren und aufgewachsen, wo sie auch ihren Mann Simon Heilbronner kennengelernt hat. Am 11. August 1896 heiratete das Paar und im folgenden Jahr kam Sohn Selmar in Laupheim zur Welt. Ein knappes Jahr später wurde Willy Heilbronner geboren. Wie die Eltern wuchsen die beiden Söhne im Kreise der jüdischen Gemeinde auf. Wohnhaft war die Familie in der Radstraße 36, dem Elternhaus von Eva Heilbronner. Als Beruf des Ehemannes Simon ist „Handelsmann“ angegeben. In welchem Bereich er kaufmännisch tätig war, konnte nicht ermittelt werden.

Auf einem Foto der israelitischen Volksschule Laupheim aus dem Jahr 1904 sind neben dem Lehrer Haymann 45 jüdische Mädchen und Jungen abgelichtet, worunter denen sich auch Selmar befand. Sein Bruder Willy war auf einem Foto mit Schülern der Laupheimer Latein- und Realschule aus dem Jahr 1909/10 zu finden. Er sah seinem älteren Bruder sehr ähnlich.

Kurz nach Ende ihrer Schulzeit, nach der beide eine kaufmännische Ausbildung absolvierten, begann der Erste Weltkrieg. Selmar rückte, knapp 19jährig, am 21. August 1916 ins Grenadierregiment Nr. 123 in Ulm ein und wurde an der Westfront eingesetzt. Sein jüngerer Bruder Willy rückte am 1. Dezember 1916 in das 2. Ersatzfeldartillerieregiment Nr. 13 ein, um als Kanonier ebenfalls an der Westfront zu kämpfen. Am 8. August 1918 traf ihn ein Granatsplitter und verletzte ihn schwer. Er erhielt das Eiserne Kreuz II. Klasse und das Verwundetenabzeichen. Beide dürften nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wieder nach Laupheim zurückgekehrt sein, verließen aber ihre Heimatstadt bald wieder. Der Zeitpunkt ihres Wegzuges sowie ihr weiterer Verbleib waren nicht zu ermitteln.

Israelitische Volksschule 1904: Hermann Obernauer,

Selmar Heilbronner, Julius Bernheim (v. l.).

Latein- und Realschule 1909/10: Leopold Bernheimer,

Willy Heilbronner, Helmut Steiner (v. l.).


Dank der genealogischen Arbeit zur ehemaligen jüdischen Gemeinde von John Bergmann ist bekannt, dass Selmar Heilbronner Zeit seines Lebens ledig blieb, während Willy Heilbronner am 1. März 1925 Minna Goldschmidt aus Hersfeld heiratete und ihr Sohn Kurt Jakob Heilbronner am 2. April 1926 geboren wurde. Über diesen ist bekannt, dass er am 13. Mai 1952 Elisabeth Sael, geborene Aufsesser, geboren am 27. Dezember 1931 in Nürnberg-Sebald, heiratete und zwei Söhne Soram Simon, geboren 4. Februar 1954 in Givataim in Israel, und Dan Josef Heilbronner, geboren am 26. Januar 1960 in New York, hat.

Die Eltern Eva und Simon Heilbronner waren weiter in Laupheim wohnhaft, wo am 15. Juni 1926 der Mann starb. Seine sieben Jahre jünger Frau Eva Heilbronner erlebte nach den Jahren der Weimarer Republik auch die ersten Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft, die mit der Ausgrenzung und Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung einhergingen. 62jährig starb Eva Heilbronner am 28. Februar 1937 in Laupheim und wurde wie ihr Mann Simon auf dem jüdischen Friedhof begraben. Das Haus in der Radstraße 36 wurde von ihren Erben, Selmar und Willi Heilbronner, am 12. Mai 1938 an Franz Josef Russ verkauft.

 

Quellen:

Adreß- und Geschäfts-Handbuch für die Oberamtstadt und die Bezirksgemeinden Laupheim 1925. Braun, Josef: Alt-Laupheimer Bilderbogen. Bd. 1. Weißenhorn 1985.

Hecht, Cornelia; Köhlerschmidt, Antje: Die Deportation der Juden aus Laupheim. Laupheim 2004. Hüttenmeister, Nathanja: Der Jüdische Friedhof Laupheim. Laupheim 1998.

Nachtrag:

Durch einen Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sind wir auf die Nachfahren der Familie Bronner aufmerksam geworden.

Teile der Familie Heilbronner sind nach Amerika ausgewandert. Dort wurde das traditionelle Handwerk des Seifensieders weiter betrieben. Emanuel Heilbronner änderte seinen Namen und strich das "Heil". Der Namensbestandteil "Heil" hatte zu sehr an die Zeit der Shoa erinnert. So war nun der Familien- und Firmenname BRONNER.

Dr. Emil Bronner entwickelte den Betrieb weiter, er hatte große humanistische Visionen welche er auf alle möglichen Wege an die Menschheit vermittelte. Visionen, die der Zeit weit voraus waren. Fairer Handel, Nachhaltigkeit, biologischer Anbau der Rohstoffe, das waren die herausragensten Botschaften, welche heute hoch aktuell sind.

Um wie bereits erwähnt die Visionen weiter zu tragen, wurden sogar die Etiketten der Seifenflaschen zum Botschafter. Aus der exzentrischen Idee wurde in der USA eine Kultmarke. Heute sind Produkte von Dr. Bronner´s weltweit in den Kosmetik- und Drogeriemärkten zu beziehen. 

Der Betrieb wird heute von den Enkeln Mike und David Bronner geführt. Die englische Seite beinhaltet die Biographie von Dr. Emil Bronner.

ENKEL, DAVID BRONNER:
„Die Ideale unseres Großvaters führen wir heute in unserer Unternehmenskultur fort. Wir wollen beweisen, dass ein konsequent nachhaltiges und gerechtes Wirtschaften tatsächlich möglich ist.“
ENKEL, MIKE BRONNER:
„Wir sind davon überzeugt, dass Unternehmen langfristig nur erfolgreich sein werden, wenn sie tatsächlich zum Wohl der ganzen Menschheit beitragen.
GESCHÄFTSFÜHRER EUROPA, AXEL RUNGWEBER
„Jeder kann tatsächlich einen Unterschied auf dieser Welt machen - jeden Tag - in jeder Minute - … indem wir mit uns selbst beginnen!“

 

Links zur Firma Bronners:

Homepage der Firma Dr. Bronners
Dr. Bronner´s All-One Magic
Homepage of Dr. Bronner´s
Familien und Firmengeschichte

https://www.drbronner.com/our-story/timeline/

Timeline
Homepage der deutschen Firmenzentrale Homepage of Dr. Bronner´s of Germany
Video zum 150. Firmenjubiläum
https://www.youtube.com/watch?v=eFbT04ucAug&feature=youtu.be
Video from Dr. Bronner`s 150 Year of Soapmaking
Pressebericht in Frankfurter Allgemeinen Zeitung Pressebericht in der FAS vom 22. Mai 2016  
Presseberichte zum Besuch im April 2017 Schwäbische Zeitung vom 05. April 2017

Schwäbische Zeitung vom 08. April 2017
 
Vortrag von Mike Bronner am 07. April 2017 in Laupheim Vortrag von Mike Bronner am 07. April 2017  


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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