voriges Kapitel

zurück zur Gesamtauswahl

nächstes Kapitel

Die jüdische Gemeinde Laupheim und ihre Zerstörung

Gedenkbuch Seite 182 - 185 

EINSTEIN, Rosa und Julius,

Kapellenstraße 40

 

KARL NEIDLINGER

Mutter: Rosa Einstein, geb. Regensteiner, geb. am 21.7.1861 in Laupheim, umgekommen am 26.12.1942 im KZ Theresienstadt, Witwe von Sigmund B. Einstein, Weinhändler, gest. am 21.12.1913 in Laupheim.
Sohn: Julius Einstein, geb. am 5.7.1887 in Laupheim, ledig, Reisevertreter, am 28.11.1941 nach Riga deportiert und dort ermordet. 

Auch zu dieser Familie finden sich heute nur noch sehr spärliche Informationen. Dies ist um so bedauerlicher, als nicht nur Rosa Einstein (geb. Regensteiner) und ihr jüngster Sohn Julius, sondern auch die in München verheiratete Tochter Bertha Neumayer Opfer des Völkermords wurden. Auch die Entstehungsgeschichte des imposanten dreistöckigen Hauses Kapellenstraße 40 mit dem neubarocken Giebel und dem identischen Nachbarhaus (siehe Fam. Bach), in dem die Familie bis 1939 wohnte, wäre nur mit aufwendigen Recherchen zweifelsfrei zu klären. Es wurde wahrscheinlich von Maier Regensteiner (1824–1887), Handelsmann und Gemeindevorsteher, dem Vater Rosa Einsteins, errichtet. Rosa wurde hier im Jahr 1861 geboren.

 

Das Haus Kapellenstraße 40 (links) beherbergt heute eine Gaststätte.

 

 

Rosa und Sigmund Einstein hatten vier Kinder, die zwischen 1882 (Edmund) und 1887 (Julius) zur Welt kamen. Edmund, der älteste Sohn, wanderte früh nach den USA aus, die Tochter Recha verstarb schon im Säuglingsalter, Bertha verheiratete sich nach München und der jüngste Sohn, zeitlebens Juliusle“ genannt, blieb ledig und wohnte bei der Mutter, die seit 1913 verwitwet war. Sein Beruf ist mit „Reisevertreter“ angegeben, den Weinhandel, den sein Vater Sigmund bis zu seinem frühen Tod 1913 betrieben hatte, führte er offenbar nicht weiter.

Julius Einstein war beruflich sicher viel unterwegs und seine Mutter lebte sehr zurückgezogen. Das mag eine Erklärung dafür sein, dass sich überhaupt kein Zeitzeuge mehr an die beiden erinnert. Auch die schriftlichen Quellen sind äußerst dürftig.

Julius Einstein (erste Reihe, Mitte) als Erstklässler auf einem

Klassenfoto von 1894/95. (Foto: Leo-Baeck-Institut, NY)

 

Im Jahr 1925 war Rosa Einstein noch Eigentümerin des Hauses Kapellenstraße 40. Zu Beginn des Jahres 1938 ist der Mechaniker Karl Landthaler als Eigentümer und Bewohner aufgeführt, Rosa und Julius Einstein wohnten aber noch dort. Das Haus wurde vermutlich zuvor rechtmäßig verkauft, denn Restitutionsverhandlungen aus der Zeit nach dem Krieg sind nicht bekannt.

Schon zu Beginn des Jahres 1939 ging der NS-Staat dazu über, Juden ihre angestammten Wohnungen und Häuser wegzunehmen, sie aus ihrem Nachbarschaftsverband zu reißen und in Gemeinschaftsunterkünften zusammenzufassen. Ein Hintergedanke war dabei sicher, eine spätere Verschleppung oder Deportation einfacher organisieren zu können. Julius Einstein durfte schon seit 1. Januar 1939 nicht mehr in seinem Elternhaus wohnen, sondern wurde in der Sammelunterkunft im ehemaligen Rabbinat zwangseinquartiert. Im September desselben Jahres folgte auch seine Mutter in das sogenannte Altersheim Judenberg 2 (heute Synagogenweg 1). In der Pogromnacht im November 1938 war Julius der Verhaftung und anschließenden KZ-Haft entgangen, vermutlich weil er auswärts weilte, doch ein Jahr später, am 9. November 1939, wurden wieder 13 jüdische Männer ohne Angabe irgendwelcher Gründe verhaftet und ins Laupheimer Gefängnis gesperrt. Julius Einstein war auch bei diesen „Schutzhäftlingen“, er wurde erst mit der zweiten Gruppe am 25. November wieder entlassen.

 

Jüdisches Altersheim: Sammelunterkunft im ehemaligen Rabbinat

Die ständige Angst vor neuen Schikanen, die Verunsicherung und Bedrückung, die das Leben im jüdischen Altersheim prägte, die materielle Not, das zur Untätigkeit-verdammt-Sein glaubt man in vielen Gesichtern auf den folgenden Fotos ablesen zu können. Die äußerst beengte Wohnsituation, das Zusammengepfercht-Sein ist unübersehbar auf den Bildern, die ein unbekannter Fotograf 1940 aufnahm und die nach dem Krieg über Gretel Gideon zu Ernst Schäll kamen. Rosa und Julius Einstein sind mehrfach darauf zu erkennen, und vor allem Rosa wirkt besonders deprimiert und verstört. Obwohl schon fast 80 Jahre alt, war es ihr nicht vergönnt, in Laupheim zu sterben. Im hohen Alter hatte sie ihr geräumiges Geburtshaus Kapellenstraße 40 gezwungenermaßen verlassen müssen und teilte nun ein Zimmer mit drei oder vier Mitbewohnerinnen. Ihr Sohn Julius gehörte mit seinen 53 Jahren zu den jüngeren Bewohnern der Sammelunterkunft. Er wurde der ersten Deportation zugeteilt, die am 28. November 1941 nach Riga ging, von wo er nicht zurückkehrte. Von unseren Lieben in der Ferne hören wir nichts“, schrieb Selma Wertheimer aus dem Altersheim 1942 über das ungewisse Schicksal der Verschleppten an Emma und Gretel Gideon. Die Mutter Rosa Einstein wurde am 19. August 1942 mit allen anderen noch verbliebenen Bewohnern nach Theresienstadt deportiert, wo sie Ende 1942 den unmenschlichen Bedingungen erlag.

Mina Einstein, Rosa Einstein, Maier Wertheimer,

Julius Einstein (stehend), Max Rieser.

Zwangsumquartiert: Max Rieser, Karl Guggenheimer und Julius Einstein.

 

  

 Babette Rieser und Rosa Einstein.            Rosa Einstein und Pauline Nördlinger.

(Alle Fotos Archiv Ernst Schäll)


voriges Kapitel

zurück zur Gesamtauswahl

nächstes Kapitel